Andreas Hügerich seit 100 Tagen Erster Bürgermeister
Vor 101 Tagen hält Andreas Hügerich seine vorerst letzte Trauung. Jetzt heißt es „Abschied nehmen“ von seinem Büro im Erdgeschoss des Lichtenfelser Rathaus. Er blickt auf eine lange Zeit zurück. Vor zwölf Jahren hatte er dort seine Arbeit als jüngster Standesbeamter in Bayern aufgenommen.
Quelle: Obermain-Tagblatt vom 9.8.2014
Nach der Trauung beginnt er sein Hab und Gut in seinem Büro in einem Pappkarton zu verstauen. Es ist auch ein Abschied von seiner Zeit als Standesbeamter. Der Weg zur Arbeit bleibt jedoch am nächsten Morgen derselbe.
Der einzige Unterschied. Der 31-Jährige ist im Rathaus ein Stockwerk weiter nach oben gezogen, ins Büro des Ersten Bürgermeisters. Vor genau 100 Tagen fand die Amtseinführung von Andreas Hügerich statt, dem neu gewählten Stadtoberhaupt von Lichtenfels.
Seine letzte Trauung sollte es nicht bleiben. So oft es geht, nimmt Andreas Hügerich auch heute noch verliebten Pärchen das Eheversprechen ab. Seine letzte Vermählung hatte er erst gestern.
„Seit meinem ersten Tag als Bürgermeister bin ich sehr glücklich mit meinem Amt“, sagt Andreas Hügerich. Bei Trauungen war er sehr nah an den Lichtenfelser dran, für ihn sollte sich das nicht ändern. Im Wahlkampf versprach Hügerich mehr Bürgernähe und Gesprächsbereitschaft. „Viel näher an den Menschen kann man kaum sein. Als Bürgermeister habe ich die unterschiedlichsten Menschen kennen gelernt“, erzählt der 31-Jährige.
Die Bürger scheinen dieses Versprechen zu nutzen. Zwei Wochen nach der Amtseinführung wurde Hügerich auf dem Marktplatz von einer älteren Frau angesprochen und lernte eine neue Ebene der Lichtenfelser Gesprächsbereitschaft kennen. „Sie rief mich und fragte mich, wie lange an der Coburger Straße noch gebaut wird“, erzählt der Mistelfelder. „Ende Oktober habe ich ihr geantwortet. Sie stellte mir die Frage, weil sie es nicht schaffe vom Bahnhof zum Marktplatz zu laufen. Danach habe ich die Polizei, das Bauamt und ein paar Einzelhändler der Innenstadt zusammengetrommelt. Es wurden ein paar Absperrungen aufgestellt, und die Busse fuhren wieder zum Marktplatz.“
Der leidenschaftliche Marathonläufer zeigt Verständnis für diejenigen, die es schwer haben zu laufen. Er könne als Bürgermeister nur helfen, wenn er auch die Probleme der Menschen kenne, erzählt Hügerich. „Sehr oft muss ich auch unangenehme Antworten geben, aber ich bin lieber ehrlich. Wenn ich Glück habe und die Situation es zulässt, kann ich dafür auch sofort helfen.“
Eine Checkliste hat sich Hügerich nach der Amtseinführung nicht angeschafft. Lohnen würde sich das nicht, sagt er. Die meisten seiner Projekte seien sehr langjährige Aufgaben und nicht in kurzer Zeit abzuhaken: die Belebung der Innenstadt, das Zukunftskonzept des Zentrums Europäischer Flechtkultur, mehr Touristen für Lichtenfels gewinnen oder die Stadt für junge Menschen attraktiver machen. „Das alles braucht Zeit“, sagt Hügerich. Er habe viel mehr einen Kompass für den richtigen Weg.
Schritt für Schritt will er sich seinen Versprechen nähern. „Wir können nicht einfach einen Pflock in den Boden rammen und sagen: Hier entsteht jetzt ein Neubau- oder Gewerbegebiet. Das erfordert Vorplanung. Fehler kann man später nur schwer korrigieren“, erklärt der Bürgermeister.
Mit kleinen Erfolgen nähere er sich einem Ziel für Lichtenfels. Als erster Erfolg für die Belebung der Innenstadt sieht er zum Beispiel die Fan-Meile während der Fußballweltmeisterschaft. Sie habe eine erste Schaufensterfunktion erfüllt.
In dem Zukunftskonzept Flechtkultur vom Zentrum Europäischer Flechtkultur sieht Hügerich eindeutiges Potenzial. „Jede Stadt und Region sucht ein Identifikationsmerkmal. Für Lichtenfels ist es das Flechten. Daher war es wichtig, den Pfad der Flechtkultur bis zum Sommer fertigstellen zu können.“
Die Flechtkultur sei für Lichtenfels ohnehin etwas Besonderes. Der Bürgermeister ist sich sicher: „Wir müssen den Sprung in die Moderne schaffen. Das Zukunftskonzept Flechtkultur ist eine Chance für unsere gesamte Region.“ Mit einem Erfolg des Konzepts könne man auch viele Touristen dazu bewegen nicht nur Bamberg, sondern auch Lichtenfels einen Besuch abzustatten. All das seien aber keine Erfolge auf die Schnelle.
„Ich bin Marathonläufer, kein Sprinter“, sagt der 31-Jährige. Und so möchte er auch seine Ziele angehen. Denn die, so Hügerich, seien weit entfernt. Auf dem Weg werde nicht alles glattlaufen, aber mit genug Engagement und konstruktiver Kritik der Bürger sei alles erreichbar.
Sechs Jahre dauert eine Amtsperiode für das Amt des Bürgermeisters in Lichtenfels. Nach 100 Tagen kann man schlecht ein Fazit ziehen. Ein Vergleich mit seiner Vorgängerin lehnt Hügerich ab: „Frau Fischer hat ihr Amt sicherlich anders ausgeführt als ich. Aber sie hat das getan was sie für richtig gehalten hat. Und ich verfolge meinen Plan für Lichtenfels. Was besser ist? Das sollen andere beurteilen.